Haben Sie einen Dienstwagen? Dürfen Sie diesen auch privat nutzen? Hat Ihr Arbeitgeber Ihren Dienstwagen widerrufen? Dieser Rechtstipp möchte erläutern worauf beim Dienstwagenbezug zu achten ist.
Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des Dienstwagens widerruft, stellt sich die Frage: Ist das rechtens? Und wenn ja – steht dem Arbeitnehmer dennoch eine Entschädigung zu? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 12. Februar 2025 – 5 AZR 171/24 – hierzu wichtige Maßstäbe gesetzt, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen sollten.
Private Dienstwagennutzung: Vertragsinhalt mit geldwertem Vorteil
Ein Dienstwagen zur privaten Nutzung ist mehr als ein netter Bonus – er ist ein geldwerter Vorteil und damit Teil der Vergütung (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GewO). Im Gesetz heißt es: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht.„
Solange ein Arbeitsverhältnis besteht und der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgelt hat, besteht grundsätzlich auch Anspruch auf die Nutzung des Fahrzeugs.
Auch nach einer Kündigung bleibt dieser Anspruch bestehen, solange das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist – es sei denn, der Arbeitgeber hat sich im Arbeitsvertrag wirksam ein Widerrufsrecht vorbehalten.
Widerrufsklauseln in Arbeitsverträgen: Wann sind sie wirksam?
Im vom BAG entschiedenen Fall enthielt der Arbeitsvertrag des Klägers eine Klausel, die dem Arbeitgeber bei Freistellung nach Kündigung das Recht zum entschädigungslosen Entzug der privaten Kfz-Nutzung einräumte. Eine solche Regelung ist nur wirksam, wenn sie den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügt.
Das BAG stellte klar: Die Klausel war wirksam, da sie klar, transparent und inhaltlich hinreichend bestimmt war. Für den Arbeitnehmer war der mögliche finanzielle Nachteil klar kalkulierbar, insbesondere da der monatliche Nutzungsvorteil (457 €) in den Gehaltsabrechnungen explizit aufgeführt war.
Entscheidender Gesetzestext: § 315 BGB – Billiges Ermessen bei Leistungsbestimmung
Der Widerruf durch den Arbeitgeber stellt eine einseitige Leistungsbestimmung dar und muss nach § 315 Abs. 1 BGB billigem Ermessen entsprechen. Das BAG überprüfte daher, ob der Arbeitgeber die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt hat.
§ 315 Abs. 1 BGB:
„Soll die Leistung durch einen der Vertragsparteien bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.“
BAG: Entzug der privaten Nutzung nur zum Monatsende wirksam
Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber das Fahrzeug bereits am 23. Mai 2023 zurückgefordert. Dies sah das BAG als nicht ermessensgerecht an, da der geldwerte Vorteil lohnsteuerrechtlich stets monatsweise – nicht tagesgenau – versteuert wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Ein früherer Entzug führte also zu einem finanziellen Nachteil, ohne dass dem Arbeitnehmer ein realer Nutzen gegenüberstand.
Ergebnis: Die Ausübung des Widerrufsrechts war zwar grundsätzlich zulässig, aber erst zum 31. Mai 2023 wirksam. Für die letzten neun Tage im Mai sprach das BAG dem Kläger daher eine Nutzungsausfallentschädigung von 137,10 € brutto zu.
Praxisrelevanz: Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Für Arbeitnehmer:
- Auch bei Freistellung nach Kündigung kann Anspruch auf Entschädigung bestehen, wenn die Privatnutzung des Fahrzeugs zu früh widerrufen wird.
- Eine genaue Prüfung des Arbeitsvertrags und der Widerrufsklauseln lohnt sich, vor allem im Hinblick auf Transparenz und Zumutbarkeit.
Für Arbeitgeber:
- Widerrufsklauseln sollten juristisch sauber formuliert und klar an Bedingungen wie eine Freistellung oder längere Krankheit geknüpft sein.
- Der Entzug des Fahrzeugs sollte – sofern möglich – stets zum Monatsende erfolgen, um steuerlich bedingte Nachteile für den Arbeitnehmer zu vermeiden.
Nutzungsausfallentschädigung trotz wirksamen Widerruf des Dienstwagen möglich
Das Urteil des BAG stärkt die Rechte von Arbeitnehmern, indem es die Ausübung von Widerrufsrechten an eine sorgfältige Ermessensausübung nach § 315 BGB knüpft. Arbeitgeber müssen bei der Umsetzung von vertraglichen Widerrufsrechten nicht nur auf formelle Wirksamkeit achten, sondern auch auf praktische und steuerliche Auswirkungen.
📌 Tipp: Prüfen Sie bei Widerrufsklauseln stets, ob eine gestaffelte oder zum Monatsende greifende Auslauffrist sinnvoll ist, um Haftungsrisiken zu vermeiden.
Jeder Vertrag und jede Situation verdient eine individuelle Betrachtungsweise und eine damit einhergehende Prüfung.