Ausschlussfristen im Arbeitsrecht – Wann verfallen Ansprüche?

Ausschlussfristen sind im Arbeitsrecht von großer Bedeutung, da sie festlegen, innerhalb welcher Frist Arbeitnehmer ihre Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen müssen. Doch wann greifen solche Fristen, welche Anforderungen gelten für ihre Wirksamkeit, und wie wirken sie sich auf rückwirkende Forderungen aus? In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wichtige zu Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.


Was sind Ausschlussfristen im Arbeitsrecht?

Ausschlussfristen sind vertragliche oder tarifliche Regelungen, die bestimmen, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden. Diese Fristen können in folgenden Regelwerken enthalten sein:

Arbeitsverträge
Tarifverträge
Betriebsvereinbarungen

Wichtig: Wird die Frist versäumt, erlischt der Anspruch automatisch – eine nachträgliche Geltendmachung oder Aufrechnung ist nicht mehr möglich.

Rechtsprechung: Das BAG (19.09.2012 – 5 AZR 627/11) entschied, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, bereits durch eine Kündigungsschutzklage gewahrt sind.


Welche Formen von Ausschlussfristen gibt es?

Es gibt zwei Hauptarten von Ausschlussfristen:

1️⃣ Einstufige Ausschlussfrist: Der Anspruch muss innerhalb der Frist schriftlich oder mündlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden.

2️⃣ Zweistufige Ausschlussfrist:

  • Der Anspruch muss zunächst schriftlich geltend gemacht werden.
  • Falls der Arbeitgeber nicht zahlt, muss innerhalb einer weiteren Frist Klage eingereicht werden.

Rechtsprechung: Die zweite Stufe einer Ausschlussfrist muss mindestens drei Monate betragen, sonst ist sie unwirksam (BAG, 25.05.2005 – 5 AZR 572/04).


Wann sind Ausschlussfristen unwirksam?

Nicht jede Ausschlussfrist ist automatisch wirksam. Das Bundesarbeitsgericht hat klare Anforderungen festgelegt:

  • Mindestlohnansprüche dürfen nicht verfallen: Eine Ausschlussklausel ist unwirksam, wenn sie den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt (BAG, 18.09.2018 – 9 AZR 162/18).
  • Keine Benachteiligung des Arbeitnehmers: Wenn der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, welche Konsequenzen eine Klausel hat, ist sie intransparent und somit unwirksam (BAG, 03.12.2019 – 9 AZR 44/19).
  • Unzulässige Einschränkung von Schadensersatzansprüchen: Eine Klausel ist unwirksam, wenn sie auch vorsätzliche Pflichtverletzungen umfasst (BAG, 26.11.2020 – 8 AZR 58/20).

Besonderheiten bei tariflichen Ausschlussfristen

Ausschlussfristen in Tarifverträgen sind besonders streng und gelten unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer davon Kenntnis hat.

✔ Auch wenn der Arbeitgeber den Tarifvertrag nicht ausgehängt hat, bleibt die Frist wirksam (BAG, 13.12.2007 – 6 AZR 222/07). Es kommt aber immer auf den Einzelfall an.
✔ Tarifliche Ausschlussfristen betreffen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, auch Schadensersatzansprüche.
✔ Die Frist beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs und nicht mit der Kenntnis des Arbeitnehmers.


Wann beginnt die Ausschlussfrist?

Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs. Das bedeutet:

Lohnansprüche verfallen nach Ablauf der Ausschlussfrist ab dem Zeitpunkt der Gehaltszahlung.
Schadensersatzansprüche beginnen mit dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung.
Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch verfallen (BAG, 09.03.2021 – 9 AZR 323/20).


Präklusionsfrist: Kündigungsschutzklagen rechtzeitig einreichen

Besonders wichtig ist die dreiwöchige Klagefrist bei Kündigungen nach § 4 KSchG.

✔ Wird die Klage nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht, gilt die Kündigung als wirksam (§ 7 KSchG).
✔ In Ausnahmefällen kann eine verspätete Klage zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 5 KSchG).

Beispiel:
Ein Arbeitnehmer wird gekündigt und erfährt erst nach vier Wochen von seinem Recht, Klage einzureichen. Ohne einen besonderen Grund kann die Klage nicht mehr zugelassen werden, und die Kündigung bleibt bestehen.


Fazit: Fristen beachten, um Ansprüche nicht zu verlieren!

Ausschlussfristen sind im Arbeitsrecht weit verbreitet und können dazu führen, dass berechtigte Ansprüche verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Besonders wichtig sind:

Arbeitsvertragliche und tarifliche Ausschlussfristen prüfen
Ansprüche innerhalb der Frist schriftlich geltend machen
Dreiwöchige Klagefrist bei Kündigungsschutzklagen beachten

Arbeitnehmer sollten ihre Verträge genau prüfen und sich im Zweifel frühzeitig rechtlich beraten lassen, um finanzielle Verluste zu vermeiden.

Warum es sich lohnt, Ansprüche rechtzeitig und umfassend geltend zu machen

Arbeitnehmer sollten ihre Ansprüche frühzeitig und in vollem Umfang geltend machen, da Ausschlussfristen dazu führen können, dass berechtigte Forderungen unwiederbringlich verfallen. Wer beispielsweise nur Teile seines Gehalts oder nicht sämtliche Überstundenabrechnungen innerhalb der Frist einfordert, riskiert, auf weiteren finanziellen Ansprüchen sitzen zu bleiben.

Besonders bei Lohnnachforderungen, Überstundenvergütung, Urlaubsabgeltung und Schadensersatzansprüchen kann es wirtschaftlich erheblich sein, die Ansprüche rechtzeitig, vollständig und detailliert darzulegen. Zudem kann eine frühzeitige Geltendmachung auch die Verhandlungsposition gegenüber dem Arbeitgeber stärken und helfen, langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Ein frühzeitiges und strategisch kluges Vorgehen sichert somit finanzielle Vorteile und sorgt für Klarheit.