Inflationsausgleichsprämie

Inflationsausgleichsprämie auch in Altersteilzeit fällig?

Die Inflationsausgleichsprämie sorgt aktuell für viel Gesprächsstoff: Arbeitnehmer, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, wurden häufig von dieser Sonderzahlung ausgeschlossen. Ein brandaktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. November 2024 (9 AZR 71/24) sorgt jetzt für Klarheit und Gerechtigkeit.

Inflationsausgleichsprämie – Was ist das?

Die Inflationsausgleichsprämie ist eine tarifliche Einmalzahlung, die nach § 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei ist und dazu dient, Arbeitnehmer angesichts stark gestiegener Verbraucherpreise finanziell zu entlasten. Die Prämie beträgt regelmäßig 3.000 Euro und wurde von vielen Tarifparteien im Zuge der hohen Inflation vereinbart.

Ausschluss in Altersteilzeit: Worum ging es in dem aktuellen BAG-Urteil?

Im konkreten Fall ging es darum, dass Beschäftigte in der sogenannten Passivphase ihrer Altersteilzeit von der Prämie ausgeschlossen wurden. Nach Auffassung der Arbeitgeberseite sollten sie keinen Anspruch auf die Zahlung haben, da sie keine aktive Arbeitsleistung mehr erbringen. Dies hielt das BAG jedoch für unzulässig.

Warum das BAG den Ausschluss für unwirksam erklärte

Das BAG stellte klar: Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase ihrer Altersteilzeit verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TzBfG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Nach § 4 TzBfG darf eine Benachteiligung von Teilzeitkräften gegenüber Vollzeitbeschäftigten nur bei sachlicher Rechtfertigung erfolgen – und genau diese sah das BAG hier nicht gegeben.

Der entscheidende Punkt: Die Inflationsausgleichsprämie dient ausschließlich der Abmilderung gestiegener Verbraucherpreise und nicht der Vergütung konkreter Arbeitsleistungen oder zukünftiger Betriebstreue. Somit besteht kein gerechtfertigter Grund, Arbeitnehmer in der Altersteilzeit anders zu behandeln.

Vertiefte rechtliche Diskussion und Argumente

Rechtlich betrachtet stehen sich hierbei zwei wesentliche Argumentationslinien gegenüber: Einerseits betonen Arbeitgeber den arbeitsleistungsbezogenen Charakter vieler tariflicher Leistungen und argumentieren, dass Arbeitnehmer in der Passivphase keine aktive Arbeitsleistung mehr erbringen, weshalb ihnen die Prämie nicht zustünde. Andererseits weisen Arbeitnehmervertreter und nunmehr auch das BAG darauf hin, dass der wesentliche Zweck der Inflationsausgleichsprämie gerade nicht in der Vergütung von Arbeitsleistung, sondern vielmehr im sozialen Ausgleich angesichts der allgemeinen Inflation besteht. Die Differenzierung zwischen aktiven und passiven Phasen der Altersteilzeit würde eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen, da alle Arbeitnehmer gleichermaßen von Preissteigerungen betroffen sind. Das Urteil des BAG unterstreicht somit die Notwendigkeit, den Charakter von tariflichen Leistungen klar zu definieren und konsequent anzuwenden, um Diskriminierungen auszuschließen und soziale Gerechtigkeit sicherzustellen.

Zitat aus dem Gesetz

Entscheidende Norm des BAG-Urteils ist § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TzBfG:

„Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung.“

Im Zentrum der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht § 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Diese Vorschrift regelt das sogenannte Diskriminierungsverbot von Teilzeitkräften gegenüber Vollzeitbeschäftigten. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter gestellt werden als ein vergleichbarer Arbeitnehmer in Vollzeit. Dies gilt insbesondere für finanzielle Zuwendungen, zusätzliche Vergütungen oder sonstige geldwerte Vorteile.

Absatz 1 Satz 2 des § 4 TzBfG konkretisiert, dass teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern solche geldwerten Leistungen mindestens anteilig im Verhältnis zur Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten gewährt werden müssen. Differenzierungen sind nur dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Sachliche Gründe können beispielsweise objektive Unterschiede in der Arbeitsleistung oder besondere betriebliche Erfordernisse sein. Fehlt ein solcher sachlicher Grund, liegt eine rechtswidrige Ungleichbehandlung vor, die zur Unwirksamkeit entsprechender Regelungen führt (§ 134 BGB).

Dieses gesetzliche Diskriminierungsverbot stellt sicher, dass Beschäftigte unabhängig von der Dauer ihrer Arbeitszeit fair behandelt werden und keine finanziellen Nachteile aufgrund einer Teilzeittätigkeit erleiden.

Praxisrelevante Argumente und Auswirkungen

Für Unternehmen bedeutet das Urteil, dass alle Arbeitnehmer, die am maßgeblichen Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen – also auch Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit – Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie haben. Der Ausschluss dieser Beschäftigtengruppe führt zu einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung und ist somit rechtswidrig.

Arbeitgeber sollten also dringend prüfen, ob ihre bisherige Praxis zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie mit der aktuellen Rechtsprechung im Einklang steht. Arbeitnehmer, denen bisher die Prämie verweigert wurde, können diese nun einfordern – ggf. sogar gerichtlich.

Was sollten Betroffene jetzt tun?

Wenn Sie als Arbeitnehmer in der Passivphase Ihrer Altersteilzeit bislang keine Inflationsausgleichsprämie erhalten haben, sollten Sie diese nun umgehend einfordern. Verweisen Sie dabei auf das aktuelle Urteil des BAG. Bei Ablehnung der Zahlung empfiehlt sich dringend eine rechtliche Beratung, um Ihre Ansprüche effektiv durchzusetzen.

Fazit: Klare Linie des BAG zugunsten der Beschäftigten

Das Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmern in der Passivphase ihrer Altersteilzeit erheblich. Die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer hinsichtlich der Inflationsausgleichsprämie ist jetzt eindeutig gesetzlich untermauert.

So eindeutig das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in der Sache 9 AZR 71/24 auch wirkt – für die rechtliche Beurteilung im konkreten Fall ist stets eine individuelle Prüfung erforderlich. Ausschlaggebend sind dabei insbesondere der geltende Tarifvertrag, der Arbeitsvertrag sowie etwaige Zusatzvereinbarungen, Betriebsvereinbarungen oder Gesamtzusagen.

Nicht jeder Fall lässt sich ohne Weiteres mit der BAG-Entscheidung gleichsetzen. So kann etwa eine andere Formulierung im Tarifvertrag, ein abweichender Stichtag oder eine ergänzende Regelung zur Altersteilzeit dazu führen, dass andere rechtliche Maßstäbe anzulegen sind. Auch kann sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ein eigenständiger Anspruch oder Ausschluss ergeben.

Daher ist vor dem Einfordern oder der Ablehnung der Inflationsausgleichsprämie eine sorgfältige Prüfung der vertraglichen und tariflichen Grundlagen unerlässlich. Nur so lässt sich eine rechtlich fundierte Einschätzung abgeben und eine zielgerichtete, individuelle Rechtsberatung sicherstellen.