Kündigung Ausbildungsverhältnis

Kündigung Ausbildungsverhältnis – Ultimativer Praxis‑Guide für Auszubildende und Betriebe

Kündigung Ausbildungsverhältnis – in diesem umfassenden Rechtstipp erfahren Sie, wann eine Kündigung im Ausbildungsverhältnis wirksam ist, welche Fristen und Formerfordernisse gelten, wie mit Abmahnungen und dem Berichtsheft umzugehen ist, welche Rolle der Schlichtungsausschuss spielt und welche prozesstaktischen Schritte im Streitfall sinnvoll sind. Die Darstellung enthält wörtliche Gesetzeszitate, verweist auf einschlägige Rechtsprechung und ist so strukturiert, dass Sie hierbei einen Leitfaden erhalten, um für Sie die Rechtslage verständlich zu machen.


Kündigung Ausbildungsverhältnis: Gesetzliche Leitplanken und Schutzzweck

Die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses unterliegt strengeren Regeln als die Beendigung „normaler“ Arbeitsverhältnisse. Grund ist der besondere Schutzzweck der Berufsausbildung: Auszubildende sollen den Abschluss erreichen; Erziehungs‑, Förder‑ und Lernkomponenten stehen im Vordergrund. Deshalb ist die außerordentliche Kündigung nur in Ausnahmefällen zulässig und stets am Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu messen.

Damit Sie rechtssicher agieren, sind vier Normkomplexe zentral: § 22 BBiG (Kündigung), § 13 BBiG (Pflichten der Auszubildenden (Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist.) – insbesondere die Führung des Berichtshefts), § 14 BBiG (Pflichten der Ausbildenden – insbesondere Anhalten und Kontrollpflicht) sowie § 111 Abs. 2 ArbGG (Schlichtungsausschuss). Ergänzend bedeutsam sind § 4 KSchG (Drei‑Wochen‑Frist der Kündigungsschutzklage) und – als allgemeiner Leitstern für das „wichtiger Grund“-Prinzip – § 626 Abs. 1 BGB.


Kündigung Ausbildungsverhältnis: Exakte Gesetzeslage (Wortlautzitate)

§ 22 BBiG – Kündigung

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.
(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

  1. aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,
  2. von Auszubildenden mit einer Frist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.
    (3) Die Kündigung muss schriftlich und im Falle der Kündigung nach Absatz 2 Nummer 1 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen; die elektronische Form ist ausgeschlossen.
    (4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

§ 13 BBiG – Pflichten der Auszubildenden (Auszug)

Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich ist. Sie sind insbesondere verpflichtet, […]
7. einen schriftlichen oder elektronischen Ausbildungsnachweis zu führen, soweit ein solcher vorgeschrieben ist.

§ 14 BBiG – Pflichten der Ausbildenden (Auszug)

(2) Ausbildende haben Auszubildende zum Führen der Ausbildungsnachweise nach § 13 Satz 2 Nummer 7 anzuhalten und diese regelmäßig durchzusehen. Den Auszubildenden ist Gelegenheit zu geben, den Ausbildungsnachweis am Arbeitsplatz zu führen.

§ 111 Abs. 2 ArbGG – Schlichtungsausschuss (Satz 5)

Der Klage muß in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuß vorangegangen sein.

§ 4 Satz 1 KSchG – Anrufung des Arbeitsgerichts

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

§ 626 Abs. 1 BGB – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.

Diese Wortlautzitate markieren die rechtlichen Fixpunkte, an denen jede Kündigung Ausbildungsverhältnis zu messen ist.


Kündigung Ausbildungsverhältnis: Form, Fristen und typische Fehler

Eine Kündigung Ausbildungsverhältnis ist nur wirksam, wenn Form und Fristen eingehalten sind und der wichtige Grund tragfähig dargelegt wird:

  • Schriftform ist zwingend; elektronische Form ist ausgeschlossen.
  • Begründungspflicht: Bei der außerordentlichen Kündigung müssen die konkreten Tatsachen im Kündigungsschreiben angegeben sein. Leerformeln („mangelhafte Leistung“, „unzureichendes Berichtsheft“) reichen nicht.
  • Zwei‑Wochen‑Frist (§ 22 Abs. 4 BBiG): Der Ausbildende Betrieb muss innerhalb von zwei Wochen ab positiver Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen kündigen; spätere Kündigungen sind regelmäßig unwirksam.
  • Verhältnismäßigkeit: Die fristlose Kündigung ist ultima ratio. In Ausbildungsverhältnissen gelten strengere Maßstäbe als bei erwachsenen, ausgebildeten Arbeitnehmern. Vorher sind mildere Mittel (Gespräche, Anleitung, Nachschulung, einschlägige Abmahnung) zu nutzen.

Praxisfehler, die Kündigungen zu Fall bringen: fehlende oder pauschale Begründung, verspätete Reaktion nach Vorfällen, keine oder nicht einschlägige Abmahnungen, unklare betriebliche Vorgaben (z. B. zur Führung des Berichtshefts), unterlassene Kontrollen durch den Ausbildenden sowie pauschale Prognosen („Prüfung gefährdet“) ohne konkrete Tatsachengrundlage.


Kündigung Ausbildungsverhältnis und Schlichtungsausschuss (§ 111 ArbGG)

Ob eine Drei‑Wochen‑Klagefrist nach § 4 KSchG zu beachten ist, hängt im Kontext der Kündigung Ausbildungsverhältnis entscheidend davon ab, ob ein Schlichtungsausschuss existiert:

  • Besteht ein Schlichtungsausschuss (typischerweise bei Innungen, Kreishandwerkerschaften oder Kammern), dann gilt: „Der Klage muss in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein.“ Die Anrufung des Ausschusses ist – von Ausnahmen abgesehen – prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzung.
  • Besteht kein Ausschuss, hat sich in der Rechtsprechung die Linie verfestigt, dass die Drei‑Wochen‑Frist des § 4 KSchG auf die Auszubildenden‑Kündigung entsprechend anzuwenden ist (u. a. BAG vom 18. September 1975 2 AZR 602/74). In der Praxis bedeutet dies: schnell handeln und binnen drei Wochen Klage erheben.

Tipp: Vor prozessualen Schritten verbindlich klären, ob für den konkreten Ausbildungsberuf und die Region ein Ausschuss eingerichtet ist (Innung/Kreishandwerkerschaft/IHK zuständig). Diese Weichenstellung beeinflusst Fristen und Prozesstaktik.


Kündigung Ausbildungsverhältnis und Berichtsheft: Pflichten, Kontrolle, Konsequenzen

Das Berichtsheft (Ausbildungsnachweis) ist kein Formalismus, sondern Prüfungsvoraussetzung und gesetzliche Pflicht des Auszubildenden (§ 13 BBiG). Gleichzeitig muss der Ausbildende die Führung aktiv unterstützen und regelmäßig kontrollieren (§ 14 Abs. 2 BBiG). Daraus ergeben sich klare Maßstäbe für die Kündigung Ausbildungsverhältnis:

  1. Konkrete Pflichtverletzung statt Pauschalvorwurf
    Zu prüfen ist, ob das Berichtsheft tatsächlich nicht geführt oder nicht vorgelegt wurde – oder ob lediglich unklare oder nicht kommunizierte Anforderungen („ordnungsgemäßer Zustand“) zugrunde liegen. Unbestimmte Erwartungen ohne vorherige Erläuterung tragen eine Kündigung nicht.
  2. Einschlägige Abmahnungen und Förderpflicht
    Vor einer außerordentlichen Kündigung Ausbildungsverhältnis wegen Berichtsheftverstößen bedarf es regelmäßig einschlägiger Abmahnungen, die denselben Pflichtbereich betreffen, konkret formuliert sind und Folgen androhen. Gleichzeitig ist zu dokumentieren, dass der Ausbildende seiner Anhalte‑ und Kontrollpflicht nachkam (regelmäßige Einsicht, Feedback, Gelegenheit zur Führung während der Arbeitszeit).
  3. Steigende Schutzintensität im Ausbildungsverlauf
    Je weiter die Ausbildung fortgeschritten ist, desto gewichtiger ist das Interesse des Auszubildenden an der Fortsetzung bis zur Abschlussprüfung. Die Rechtsprechung verlangt daher eine besonders sorgfältige Interessenabwägung und Maßhaltigkeit bei Sanktionen.
  4. Prüfungsrelevanz nicht schematisch
    Die bloße Behauptung, die Zwischen‑ oder Abschlussprüfung sei gefährdet, genügt nicht. Erforderlich sind nachprüfbare Tatsachen (z. B. beharrliche Weigerung trotz mehrfacher Aufforderung und Abmahnung; dokumentierte Kontrollen; wiederholte Nichtvorlage).

Kündigung Ausbildungsverhältnis: Abmahnung als „gelbe Karte“ – Anforderungen im Detail

Die Abmahnung erfüllt Rüge‑, Hinweis‑ und Warnfunktion. Für eine verhaltensbedingte Kündigung im Ausbildungsverhältnis ist sie regelmäßig Voraussetzung. Damit sie trägt, muss sie:

  • den konkreten Sachverhalt schildern (Wer? Was? Wann? Wo? Wie oft?),
  • die vertragliche Pflicht benennen (z. B. „Führung und Vorlage des Ausbildungsnachweises“),
  • zur künftigen Vertragstreue auffordern und
  • arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung androhen.

Pauschale Werturteile und Leerformeln genügen nicht – weder in der Abmahnung noch im Kündigungsschreiben. Werden im Kündigungsschreiben lediglich pauschale Bewertungen statt nachprüfbarer Tatsachen genannt, droht Unwirksamkeit.


Kündigung Ausbildungsverhältnis: Prozesstaktik und Antragspakete

In Streitfällen bewährt sich ein strategisch abgestimmtes Antragspaket, das die prozessualen Besonderheiten der Kündigung Ausbildungsverhältnis abdeckt:

  1. Frühe Weichenstellung (Fristen!)
    • Kein Ausschuss vorhanden: Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen (§ 4 KSchG).
    • Ausschuss vorhanden: Zunächst Schlichtungsausschuss anrufen; erst danach Klage.
  2. Kombination der Anträge
    • Kündigungsschutz‑Feststellung: Unwirksamkeit der konkreten Kündigung.
    • Allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO): Feststellung, dass das Ausbildungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe endet (sinnvoll, wenn der Ausbildende weitere Kündigungen in Betracht zieht).
    • Entfernung unberechtigter Abmahnungen: Widerruf und Entfernung aus der Personalakte bei inhaltlicher Unbestimmtheit oder unzutreffenden Tatsachen.
    • Weiterbeschäftigungsantrag (je nach Stadium des Verfahrens und Kammerpraxis): Stützt die Glaubwürdigkeit und sichert ggf. Annahmeverzugsvergütung.
  3. Beweis‑ und Dokumentationsstrategie
    • Berichtsheft: Lückenloser Nachweis (bei elektronischer Führung: Exporte/Screenshots, Versionsstände, Abgabebelege).
    • Abmahnungen: Volltexte, Zustellnachweise, Fristen, Einschlägigkeit zum gerügten Pflichtenbereich.
    • Betriebliche Vorgaben: Gab es verbindliche Anweisungen, was „ordnungsgemäß“ beim Berichtsheft bedeutet (Form, Umfang, Turnus)?
    • Kontroll‑ und Förderpflichten: Protokolle/Belege über regelmäßige Durchsicht und Anleitung (§ 14 Abs. 2 BBiG).
    • Fristkontrolle § 22 Abs. 4 BBiG: Zeitpunkt der Kenntnis beim Ausbildenden, Reaktionszeit, ggf. Hemmung durch vorgeschaltete Verfahren.
  4. Materielle Argumentationslinien
    • Kein „wichtiger Grund“: Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung des Ausbildungszwecks, des Ausbildungsstands und der pädagogischen Zielrichtung; mildere Mittel standen zur Verfügung.
    • Fehlerhafte Abmahnungen: Unbestimmtheit, fehlende Tatsachenbasis oder fehlende Androhung; keine tragfähige Negativprognose.
    • Formmängel der Kündigung: Keine oder unzureichende Gründe im Schreiben, Verstoß gegen die Zwei‑Wochen‑Frist, elektronische Form.
    • Widersprüchliches Arbeitgeberverhalten: Etwa wenn in einer Abmahnung eine Frist zur Nachbesserung gesetzt wurde, die Kündigung aber vor Ablauf dieser Frist erklärt wird – Indiz gegen die Ultima‑Ratio‑Würdigung.

Kündigung Ausbildungsverhältnis: Praxisnahe Beispiele

  • Fall 1 – „Berichtsheft unklar bemängelt“: Der Ausbildende rügt einen „nicht ordnungsgemäßen Zustand“, ohne konkret zu erläutern, welche Inhalte fehlen oder welcher Turnus verletzt wurde. Gleichzeitig wurde die regelmäßige Durchsicht nie dokumentiert. Folge: In der Regel keine tragfähige außerordentliche Kündigung; Abmahnungen ggf. unwirksam.
  • Fall 2 – „Beharrliche Pflichtverletzung trotz Abmahnungen“: Der Auszubildende verweigert mehrfach die Vorlage des Berichtshefts trotz eindeutiger betrieblicher Vorgaben, konkreter Abmahnungen und klarer Fristsetzungen. Folge: Eine außerordentliche Kündigung Ausbildungsverhältnis kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein – vorausgesetzt, die Zwei‑Wochen‑Frist ist gewahrt und das Kündigungsschreiben enthält sämtliche Tatsachen.
  • Fall 3 – „Fortgeschrittenes Ausbildungsstadium“: Kurz vor der Abschlussprüfung werden Leistungsdefizite pauschal behauptet, ohne konkrete Tatsachen; der Ausbildende setzt zugleich keine Fördermaßnahmen ein. Folge: Regelmäßig unverhältnismäßig; der Ausbildungszweck und das fortgeschrittene Stadium wiegen schwer.

Kündigung Ausbildungsverhältnis: Kompakte Checkliste

  • Form prüfen: Schriftform, konkrete Tatsachen im Kündigungsschreiben, keine elektronische Form.
  • Fristen sichern: Zwei Wochen ab Kenntnis beim Ausbildenden (§ 22 Abs. 4 BBiG); ggf. Drei‑Wochen‑Klagefrist (§ 4 KSchG), wenn kein Ausschuss besteht.
  • Schlichtungsausschuss klären: Besteht ein Ausschuss, vor Klage Verhandlung dort (§ 111 Abs. 2 ArbGG).
  • Abmahnung(en) bewerten: Einschlägig, konkret, mit Androhung?
  • Berichtsheft‑Praxis belegen: Anleitung und regelmäßige Durchsicht dokumentieren (§ 14 Abs. 2 BBiG).
  • Verhältnismäßigkeit/Ultima Ratio: Mildere Mittel ernsthaft erwogen und ergriffen?
  • Prozesstaktik: Kündigungsschutz‑Feststellung, allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO), Abmahnungsentfernung, ggf. Weiterbeschäftigung.

Fazit: Sorgfalt zahlt sich aus

Die Kündigung des Ausbildungsverhältnis ist ein Sonderregime mit hohen materiell‑rechtlichen und prozessualen Hürden. Arbeitgeber müssen strikt auf Form, Fristen, konkrete Tatsachen und die Förder‑/Kontrollpflichten achten; Auszubildende sollten zügig die richtigen Weichen stellen (Schlichtungsausschuss oder Drei‑Wochen‑Klage), Beweise sichern und mehrgleisig vorgehen (Kündigungsschutz, allgemeine Feststellung, Abmahnungsentfernung, Weiterbeschäftigung). Mit sauberer Dokumentation, klaren Abmahnungen und ernsthafter Förderung lassen sich Konflikte oft ohne fristlose Beendigung lösen – genau das verlangt der Schutzzweck der Ausbildung.