Arbeitnehmer oder Selbstständiger? Die richtige Einordnung im Arbeitsrecht

Warum die Einordnung als Arbeitnehmer entscheidend ist

Die Einordnung, ob jemand Arbeitnehmer oder Selbstständiger ist, hat erhebliche Auswirkungen auf arbeitsrechtliche, steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen. Mit dem neu eingefügten § 611a BGB hat der Gesetzgeber erstmals eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmers geschaffen, die sich an der bisherigen Rechtsprechung orientiert. Doch wann gilt jemand als Arbeitnehmer, und wie unterscheidet sich dies von anderen Beschäftigungsformen wie Scheinselbstständigkeit oder freier Mitarbeit? In diesem Rechtstipp erklären wir die Kriterien, diskutieren relevante Rechtsprechung und geben praktische Hinweise.


Definition des Arbeitnehmers: Was sagt das Gesetz?

Laut § 611a Abs. 1 BGB ist ein Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

Weisungsgebundenheit und persönliche Abhängigkeit

Die Weisungen des Arbeitgebers können sich auf den Inhalt, die Durchführung, die Zeit, die Dauer und den Ort der Tätigkeit beziehen. Arbeitnehmer stehen dabei in einem Abhängigkeitsverhältnis, das sie organisatorisch und wirtschaftlich an den Arbeitgeber bindet.

Gesamtwürdigung der Umstände

Die Abgrenzung zum Selbstständigen erfolgt durch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls, wie vom Bundesarbeitsgericht (BAG) gefordert. Besondere Branchen- und Tätigkeitsmerkmale (z. B. Presse- oder Kunstfreiheit) können die Bewertung beeinflussen.


Abgrenzung: Arbeitnehmer oder Selbstständiger?

1. Kriterien für die Arbeitnehmereigenschaft

Laut BAG müssen folgende Mindestkriterien erfüllt sein:

  • Persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber
  • Weisungsgebundenheit bei der Arbeitszeit und -gestaltung
  • Fremdbestimmte Arbeit

2. Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit

Bei der Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit kommt es darauf an, ob die Tätigkeit in der Praxis den Charakter eines Arbeitsverhältnisses aufweist. Das BAG hat klargestellt, dass die tatsächliche Durchführung des Vertrags Vorrang vor schriftlichen Vereinbarungen hat.

3. Beispiel Crowdworking: Rechtsprechung des BAG

Das BAG hat entschieden, dass auch Crowdworker als Arbeitnehmer gelten können, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über eine Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer keine wesentliche Gestaltungsfreiheit hat.


Arbeitsvertrag und Rechte des Arbeitnehmers

1. Arbeitsvertrag als Grundlage

Der Arbeitsvertrag regelt das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Er kann mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Wichtiger Hinweis: Bei mündlichen Verträgen müssen die Arbeitsbedingungen gemäß dem Nachweisgesetz schriftlich niedergelegt werden.

2. Rechte und Pflichten

Ein Arbeitsverhältnis begründet Pflichten wie die Sozialversicherungspflicht. Arbeitnehmer sind in der Regel kranken-, renten- und arbeitslosenversichert, während Selbstständige diese Absicherungen eigenverantwortlich organisieren müssen.


Praktische Relevanz: Sozialversicherung und rechtliche Risiken

1. Sozialversicherungspflicht

Arbeitnehmer sind grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Arbeitgeber müssen die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abführen. Bei fehlerhafter Einordnung als Selbstständiger droht die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.

2. Folgen der Scheinselbstständigkeit

Scheinselbstständigkeit kann schwerwiegende rechtliche und finanzielle Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben. Hierbei spielen insbesondere das SGB IV und § 611a BGB eine entscheidende Rolle.


Kriterien im Überblick

  1. Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen:
    Persönliche Abhängigkeit als zentraler Unterschied.
  2. Crowdworking:
    Gesamtwürdigung entscheidet über Arbeitnehmereigenschaft.
  3. Scheinselbstständigkeit:
    Tatsächliche Durchführung des Vertrags entscheidend.

Fazit: Die richtige Einordnung zählt

Die Definition des Arbeitnehmers nach § 611a BGB schafft Klarheit, stellt aber hohe Anforderungen an die Abgrenzung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die Kriterien und ihre Auswirkungen auf Rechte und Pflichten genau kennen. Die korrekte Einordnung vermeidet rechtliche Risiken und schafft Rechtssicherheit.