Was ist Scheinselbstständigkeit und warum ist sie problematisch?
Scheinselbstständigkeit bezeichnet den Status, bei dem eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit tatsächlich die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufweist. Dies hat erhebliche Konsequenzen für Arbeitgeber und Auftragnehmer – von Sozialversicherungsbeiträgen bis zu möglichen strafrechtlichen Folgen. Dieser Rechtstipp beleuchtet die wichtigsten rechtlichen Aspekte, Abgrenzungskriterien und aktuelle Urteile.
Gesetzliche Grundlagen der Scheinselbstständigkeit
Die rechtliche Definition einer Beschäftigung wird in § 7 SGB IV geregelt. Danach liegt eine abhängige Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit nach Weisungen erfolgt und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist.
Zusätzlich ist § 7a SGB IV entscheidend, da er das sogenannte Statusfeststellungsverfahren regelt. Dieses Verfahren dient der Klärung, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder als Beschäftigungsverhältnis einzuordnen ist.
Kriterien zur Abgrenzung – Selbstständig oder Arbeitnehmer?
Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie des Bundessozialgerichts (BSG) sind folgende Kriterien für die Abgrenzung entscheidend:
- Weisungsgebundenheit: Arbeitet die Person nach Anweisungen des Auftraggebers?
- Eingliederung in die Arbeitsorganisation: Ist die Tätigkeit integraler Bestandteil des Betriebes?
- Risikotragung: Trägt die Person ein unternehmerisches Risiko?
- Honorargestaltung: Ist das Honorar deutlich höher als bei vergleichbaren sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten?
Das BAG stellte klar, dass bei einer Scheinselbstständigkeit die Rückabwicklung der Vergütung auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses erfolgen kann.
Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen
Eine falsch eingestufte Scheinselbstständigkeit hat erhebliche Konsequenzen:
- Nachzahlung von Beiträgen: Arbeitgeber müssen rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge abführen (§ 14 Abs. 2 SGB IV).
- Strafbarkeit: Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen ist gemäß § 266a StGB strafbar.
- Statusfeststellungsverfahren: Das Verfahren nach § 7a SGB IV klärt, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Neu ist, dass das Verfahren auch vor Beginn der Tätigkeit beantragt werden kann.
Rückabwicklung bei Scheinselbstständigkeit
Stellt sich eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Nachhinein als Arbeitsverhältnis heraus, ist die Rückabwicklung der Vergütung notwendig. Laut BAG gilt:
- Überzahlte Honorare können zurückgefordert werden.
- Der Anspruchsteller muss nachweisen, dass kein rechtlicher Grund für die höhere Vergütung bestand.
Steuerrechtliche Auswirkungen
Im Steuerrecht bedeutet die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses Lohnsteuerpflicht gemäß § 1 LStDV. Die Abhängigkeit in der Arbeitsorganisation ist hier ein zentraler Indikator.
Praktische Tipps zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit
- Klare Verträge: Vereinbaren Sie schriftlich die Art der Tätigkeit und achten Sie darauf, dass die tatsächliche Durchführung damit übereinstimmt.
- Statusfeststellungsverfahren: Nutzen Sie frühzeitig das Verfahren nach § 7a SGB IV.
- Eigenverantwortung: Auftragnehmer sollten auf unternehmerisches Risiko, eigene Arbeitsmittel und freie Zeiteinteilung achten, um ihre Selbstständigkeit zu untermauern.
Aktuelle Kriterien zur Scheinselbstständigkeit
- Mögliche Rückabwicklung bei Scheinselbstständigkeit.
- Höhe des Honorars als Kriterium.
- Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags.
Fazit: Rechtliche Sicherheit durch präzise Abgrenzung
Die richtige Einordnung von Tätigkeiten als selbstständig oder abhängig beschäftigt ist von zentraler Bedeutung, um rechtliche und finanzielle Risiken zu vermeiden. Arbeitgeber und Auftragnehmer sollten sorgfältig prüfen, ob die Kriterien für ein Arbeitsverhältnis vorliegen, und bei Zweifeln das Statusfeststellungsverfahren nutzen. Eine frühzeitige Klärung schützt vor Nachzahlungen und rechtlichen Auseinandersetzungen.