Wenn ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreicht, kann sich daraus ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn ergeben. Doch damit der Arbeitgeber nicht übermäßig belastet wird, bestehen für den Arbeitnehmer Mitwirkungspflichten, insbesondere die Pflicht zu Eigenbemühungen bei der Stellensuche. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 07.02.2024 – 5 AZR 177/23 betont, dass Arbeitnehmer nicht untätig bleiben dürfen, sondern sich aktiv um eine neue Stelle bemühen müssen. Welche Konsequenzen drohen, wenn dies nicht geschieht, und welche Rechte Arbeitgeber haben, erfahren Sie hier.
Was ist Annahmeverzugslohn und wann entsteht er?
Nach § 615 Satz 1 BGB bleibt der Lohnanspruch des Arbeitnehmers bestehen, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt und der Arbeitnehmer dennoch leistungsbereit ist. Dies gilt auch während eines Kündigungsschutzprozesses, wenn das Arbeitsgericht feststellt, dass die Kündigung unwirksam war.
- Der Arbeitgeber muss den Lohn für den gesamten Prozesszeitraum nachzahlen.
- Der Arbeitnehmer darf währenddessen einer anderen Beschäftigung nachgehen, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
- Verdienste aus einem neuen Arbeitsverhältnis werden jedoch auf den Annahmeverzugslohn angerechnet (§ 615 Satz 2 BGB).
Rechtsprechung: Das BAG (27.05.2020 – 5 AZR 387/19) hat entschieden, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, Auskunft über ihre Bewerbungsbemühungen zu erteilen, wenn Annahmeverzugslohn geltend gemacht wird.
Pflicht zur Eigeninitiative: Arbeitnehmer müssen sich aktiv bewerben
Gemäß § 2 Abs. 5 SGB III sind Arbeitnehmer verpflichtet, aktiv nach einer neuen Beschäftigung zu suchen. Dazu gehören:
✔ Bewerbungen auf offene Stellen (auch Initiativbewerbungen).
✔ Nutzung der Jobbörse der Arbeitsagentur.
✔ Dokumentation der Bewerbungsbemühungen.
Das BAG hat mit Urteil vom 07.02.2024 – 5 AZR 177/23 klargestellt, dass Arbeitnehmer nicht einfach auf Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur warten dürfen. Vielmehr müssen sie selbst nach Arbeit suchen und potenzielle Arbeitgeber kontaktieren.
Folge: Wer sich nicht ausreichend bemüht, riskiert eine Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs nach § 11 Nr. 2 KSchG bzw. § 615 Satz 2 BGB.
Auskunftspflichten gegenüber dem Arbeitgeber
Arbeitgeber haben das Recht, Informationen über die Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers zu verlangen. Die Rechtsprechung erkennt an, dass:
1️⃣ Der Arbeitnehmer Auskunft über seine Bewerbungen geben muss (BAG, 07.02.2024 – 5 AZR 177/23).
2️⃣ Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Stellenangebote übermitteln dürfen.
3️⃣ Arbeitnehmer darlegen müssen, ob und warum sie bestimmte Stellenangebote nicht angenommen haben.
Es kann sogar die Qualität der Bewerbung ein Indiz für ein böswilliges Unterlassen sein.
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer keine Bewerbungen vorlegt?
Verweigert ein Arbeitnehmer die offenlegung seiner Bewerbungsbemühungen, kann der Arbeitgeber:
- Eine Widerklage auf Auskunft einreichen.
- Die Zahlung von Annahmeverzugslohn zurückhalten.
- Vorbringen, dass der Arbeitnehmer bewusst einen neuen Job verhindert hat (BAG, 07.02.2024 – 5 AZR 177/23, Rn. 36). Das BAG führt hierzu interessant aus: „Auch kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich gegen unwirksame Kündigung(en) gewehrt hat und das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortsetzen wollte. Der Kläger hat jedoch eine Vorgehensweise angekündigt, mit der er von vornherein verhindern wollte und konnte, dass seine Bewerbung in die engere Wahl kommen könnte. Ein ungefragter Hinweis auf ein laufendes Gerichtsverfahren mit dem bisherigen Arbeitgeber schon vor einem Vorstellungsgespräch entspricht nicht dem Verhalten einer tatsächlich um eine Beschäftigung bemühten Person (vgl. zur sozialrechtlichen Perspektive BSG 5. September 2006 – B 7a AL 14/05 R – Rn. 19 ff., BSGE 97, 73 – Der Arbeitslose ist [bei Abfassen einer Bewerbung] gehalten, alle Bestrebungen zu unterlassen, die [der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses] nach außen hin erkennbar entgegenlaufen und den Arbeitgeber veranlassen, ihn schon vor einer persönlichen Vorstellung aus dem Bewerberkreis auszuscheiden.).„
Praxisbeispiel: Annahmeverzugslohn bei Kündigungsschutzklage
Ein Arbeitnehmer reicht eine Kündigungsschutzklage ein und fordert nach einem Jahr Prozessdauer Annahmeverzugslohn.
✔ Der Arbeitgeber fordert eine Liste der Bewerbungen an.
✔ Der Arbeitnehmer kann nur zwei Bewerbungen vorweisen.
✔ Der Arbeitgeber argumentiert, dass dies nicht ausreicht.
Das Arbeitsgericht prüft, ob der Arbeitnehmer seine Pflichten zur Arbeitssuche erfüllt hat. Falls nicht, kann der Anspruch auf Annahmeverzugslohn gekürzt werden.
Fazit: Annahmeverzugslohn ist kein Freifahrtschein
Arbeitnehmer, die eine Kündigungsschutzklage einreichen, sollten ihre Bewerbungsbemühungen lückenlos dokumentieren, um ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn nicht zu gefährden. Arbeitgeber haben das Recht, Auskunft über Eigenbemühungen zu verlangen, um sicherzustellen, dass keine böswillige Unterlassung vorliegt.
Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer regelmäßig nachweisen können, dass sie sich aktiv um eine neue Stelle bemüht haben.